Kolumne Oktober 2023

„Vom Leben und vom Sterben“

Keine Angst, ich bin kein „Grufti“, aber trotzdem gehe ich gerne auf Friedhöfe – gerade jetzt im Herbst, wenn bunte Blätter auf den Gräbern liegen, aber auch dann, wenn es draußen neblig, grau und ungemütlich wird. Warum? Weil Friedhöfe Geschichten erzählen: Geschichten vom Leben und vom Sterben, Geschichten von heute und von früher, von Familien und von Menschen, die alleine geblieben sind, von Berufen und Ehrentiteln, von Jugend und Alter. Friedhöfe laden ein zu Entdeckungsreisen durch die Zeit. Wer auf Grabsteinen zu lesen versteht, wird viel Tragisches finden, aber auch Zeugnisse von Glück und Erfüllung, von Glaube und Hoffnung.

Da ist die Grabstätte eines Ehepaares, das gemeinsam alt geworden ist. Da ist das Kindergrab oder das Grab eines jungen Menschen, der sein Leben bei einem Unfall verloren hat. Da ist die gepflegte Familiengruft und das verwahrlose Einzelgrab in der hintersten Reihe. Da sind das Urnenfeld und all die verschiedenen Grabsteine und Kreuze. Immer sagt die letzte Ruhestätte auch etwas darüber aus, wie das Leben des Menschen war, der dort begraben liegt.

Friedhöfe erzählen Geschichten all denen, die sich darauf einlassen. Sie sind Orte der Ruhe, sie lassen innehalten in der Hektik des Alltags. Friedhöfe sind grüne Oasen in den Betonwüsten der Städte. Friedhöfe sind übrigens auch ein toller Lebensraum für Vögel und viele andere Tiere. Und sie sind ein lebendiges „Memento mori“: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen“, sagt der Psalmbeter. Ja, ein Gang über den Friedhof kann auch klug machen.

Vielleicht wär das ja auch mal was für Sie, so ein Spaziergang über den Friedhof.

Ihr
Pfarrer Johannes de Fallois

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