Wenn ich in diesen Tagen morgens vor die Türe trete, singen nach langer Winterstille inzwischen wieder die Vögel. Noch ist es finster. Aber ihr Gesang macht mein Inneres fröhlich und kündet vom anbrechenden Tag. Vom Licht. Vom Frühling. Von der Hoffnung auf das Neue, das da kommen wird nach der Dunkelheit.
Wir brauchen wieder mehr Gesang der Vögel in unserem Leben, in unserer Kirche, denke ich. Wir brauchen wieder mehr Geschichten der Zuversicht nach all den Diskussionen über Schrumpfungsprozesse, Sparmaßnahmen und all dem Druck, den diese Entwicklungen für die Verantwortlichen in Haupt- und Ehrenamt mit sich bringen. Wir brauchen wieder mehr Fröhlichkeit und Vertrauen auf den, wegen dem wir letztlich in unserer und für unsere Gemeinde unterwegs sind, denke ich mir, stehend im Dämmerlicht des anbrechenden Tages, im anschwellenden Morgengesang der Vögel.
Szenenwechsel: Karakosch, 12 Kilometer östlich von Mossul. Bis zum Einmarsch der Terrormiliz IS im Jahr 2014 die größte christliche Stadt im Irak. Buchstäblich über Nacht mussten 120.000 Christen fliehen. Es war eine dunkle Nacht für das irakische Christentum. Ohne eine einzige Vogelstimme der Hoffnung.

Vier Jahre später stehe ich in der ausgebrannten, noch immer völlig verrußten syrisch-katholischen Al-Tahira-Kirche. Auch wenn der Islamische Staat inzwischen wieder vertrieben ist – vom früheren Leben ist dieser schwarze Ort noch weit entfernt. Und doch. Die ersten Renovierungsarbeiten haben begonnen. Die ersten christlichen Familien sind zurückgekehrt. Ihr Glaube soll in diesen Trümmern irgendwann wieder einen Ort haben. Noch verhalten künden vereinzelte Hammerschläge vom zarten Wachsen einer Zukunft. Mir ist, als hörte ich vereinzelte Vogelstimmen.
„In allem“, so sagen es Verse aus dem 2. Korintherbrief, Kapitel 6, „erweisen wir uns als Diener Gottes: als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.“

Weitere fünf Jahre später ist die Al-Tahira-Kirche wieder aufgebaut. Christliches Leben ist nach Karakosch zurückgekehrt. Durch die Traurigkeit hindurch wächst wieder Zuversicht und Hoffnung. Man meint, ein ganzes Vogelkonzert im Kirchenschiff erklingen zu hören. Die Bevölkerung ist noch immer arm. Aber nicht zuletzt durch ihren Glauben macht die Gemeinde viele Menschen vor Ort reich, die zwar nichts haben, in Christus aber eben doch zugleich alles haben.
Blicke ich von meiner morgendlichen Türe aus auf Karakosch zurück, bin ich fast etwas beschämt. Was sind die (zweifellos vorhandenen) Sorgen meiner eigenen Kirche im Vergleich zu dem, was die Menschen dort erleben mussten und noch immer erleben. Wie materiell reich sind wir doch noch immer. Aber wie arm, weil wir zu oft die Mitte aus dem Blick verlieren, um deren Willen wir doch unterwegs sind: Jesus, unseren Christus.
An der Schwelle des neuen Tages nehme ich mir vor, wieder mehr auf ihn zu schauen, ihm zu vertrauen, von ihm zu lernen und von ihm zu erzählen. Und die immer zahlreicher singenden Vögel fachen eine fröhliche Hoffnung in mir an, dass da ein strahlender Tag vor mir liegt.