Mein Garten ist klein, aber fein. Und er macht sich mit seinen Pflanzen gerne mal selbständig. Dann blüht etwas hier und da, wo es eigentlich gar nicht vorgesehen war. Jeden Tag kann ich dort etwas Neues entdecken. Der Wind hat den Samen verweht, die Bienen haben bestäubt, ich habe vieles nicht gepflanzt. Und doch sind sie da, die unerwarteten Blüten.
Diese Malve ist besonders vorwitzig, hat sie sich doch einfach den Mauerspalt zwischen Straße und Treppenabsatz zum Wurzelschlagen ausgesucht! Eigentlich sollte sie in einem Topf mit anderen Malven wuchern, doch das war ihr wohl nicht ausreichend genug, sie wollte einen eigenen Platz für sich. Und so begrüßt sie mich unübersehbar mit leuchtenden Blütenblättern!
Dorothee Sölle hat ein Gedicht geschrieben, das passt, wie für meine kleine Malve gemacht:
Am Straßenrand blüht eine Malve
Eine Knospe ist beinahe offen
Altrosa wird sie sein
Vielleicht schon morgen.
Hätt ich Geduld
Ich würde warten
Hätt ich Aufmerksamkeit
Ich rührte mich nicht vom Fleck
Hätt ich Frömmigkeit
Hier würde ich niederknien
Vielleicht schon morgen
Könnt ich sehen, nicht nur glauben
Wie es einem Mitgeschöpf gelingt
Am Straßenrand zum Blühen zu kommen.
Wir haben Augen zu sehen, die kleinen unscheinbaren, unerwarteten Geschöpfe am Straßenrand, wahre Schönheiten, Gottes Geschenke!
Offene Augen, Geduld, Aufmerksamkeit— mehr ist nicht notwendig!
Ich wünsche Ihnen viele solcher Augenblicke!