Kolumne Oktober 2024

Street Flower

Dr. Gunhild Kilian-Kornell

Mein Garten ist klein, aber fein. Und er macht sich mit seinen Pflanzen gerne mal selbständig. Dann blüht etwas hier und da, wo es eigentlich gar nicht vorgesehen war. Jeden Tag kann ich dort etwas Neues entdecken.  Der Wind hat den Samen verweht, die Bienen haben bestäubt, ich habe vieles nicht gepflanzt. Und doch sind sie da, die unerwarteten Blüten.

Diese Malve ist besonders vorwitzig, hat sie sich doch einfach den Mauerspalt zwischen Straße und Treppenabsatz zum Wurzelschlagen ausgesucht! Eigentlich sollte sie in einem Topf mit anderen Malven wuchern, doch das war ihr wohl nicht ausreichend genug, sie wollte einen eigenen Platz für sich. Und so begrüßt sie mich unübersehbar mit leuchtenden Blütenblättern!

Dorothee Sölle hat ein Gedicht geschrieben, das passt, wie für meine kleine Malve gemacht:

Am Straßenrand blüht eine Malve

Eine Knospe ist beinahe offen

Altrosa wird sie sein

Vielleicht schon morgen.

Hätt ich Geduld

Ich würde warten

Hätt ich Aufmerksamkeit

Ich rührte mich nicht vom Fleck

Hätt ich Frömmigkeit

Hier würde ich niederknien

Vielleicht schon morgen

Könnt ich sehen, nicht nur glauben

Wie es einem Mitgeschöpf gelingt

Am Straßenrand zum Blühen zu kommen.

Wir haben Augen zu sehen, die kleinen unscheinbaren, unerwarteten Geschöpfe am Straßenrand, wahre Schönheiten, Gottes Geschenke!

Offene Augen, Geduld, Aufmerksamkeit— mehr ist nicht notwendig!

Ich wünsche Ihnen viele solcher Augenblicke!

Autor/in

Dr. Gunhild Kilian-Kornell

Kirchenvorstand