Kolumne September 2019
Winterwetter – Spinnenflug
Unter den Wetterpropheten ist der September einer der besten. Kirchliche oder staatliche Feiertage hat der Monat nicht zu bieten. Aber jede Menge Wetterregeln sagten früher voraus, wie der kommende Winter und sein Schneefall sein würden, indem sie den September in die Pflicht nahmen. Immerhin ist Michaelis, der 29. September, einer der Los-Tage im Jahr, so wie die bekannteren Termine an Lichtmess (2. Februar), Johanni (24. Juni) und Siebenschläfer (27. Juni). Von den sogenannten „Los-“ oder „Geschick-Tagen“ leitete die traditionelle Landwirtschaft früher die Arbeitsplanung der kommenden Wochen und der anstehenden Ernten ab. Offensichtlich sind diese Tage auch mit Wetterumschwüngen verbunden …
„Donnert es im September noch, wird der Schnee um Weihnacht hoch.“
„Viel Nebel im September über Tal und Höh‘ bringt im Winter tiefen Schnee.“
„Viel Eicheln im September, viel Schnee im Dezember.“
„Wenn Bucheckern geraten wohl, Nuss- und Eichbaum hängen voll, so folgt ein harter Winter drauf, und es fällt der Schnee zuhauf.“
In der Brauchtumsreligion galten zudem der 15. und der 18. September als sogenannte „Schwendtage“, an denen man besser nichts Neues beginnen sollte. Besonders unglücklich wäre angeblich der 30. September. So ein Tag eigne sich trefflich zum Unkrautjäten, Ausmisten und Putzen. Pech irgendwie, dass er in diesem Jahr auf einen Montag fällt …
Die moderne wissenschaftliche Meteorologie kann – sofern der Klimawandel und die Wetterverschiebungen es noch zulassen – begründetere Aussagen abgeben, die den September und sein Wetter oft genug auch wirklich treffen. Langjährige Beobachtungen machen wahrscheinlich, dass es Anfang September noch einmal warm sein wird, ab Mitte des Monats kühlere Witterung vorherrscht und erst ab Ende September wieder ein stabiles Warmwetter zu erwarten bleibt, das traditionell „Altweibersommer“ genannt wird. Der Name soll sich (so die unterhaltsamste der im Netz kursierenden Erklärungen) von den Fäden herleiten, mit denen junge Baldachinspinnen im Herbst durch die Luft segeln. Der arachnide Flugfaden erinnere angeblich an das graue Haar alter Frauen. Das lässt die Vermutung zu, dass alte Männer damals ihre grauen Haare entweder nicht offen getragen oder tatsächlich auch schon gschamig gefärbt haben …
Angeblich bringt es Glück, wenn ein solcher Faden an der Kleidung hängen bleibt. Wer ihn mit sich herumträgt, würde berühmt werden, hieß es zum Trost. Vorsicht also, wenn Sie jemandem ein angebliches Haar von den Schultern der Jacke oder des Anzugs streifen wollen, womöglich geht dadurch eine zukünftige Zelebrität ihres ausstehenden Ruhms bis auf weiteres erst einmal verlustig …
Pfarrer Dr. Stefan Koch