Kolumne Dezember 2018
Weihnachten – ein großes Ereignis mit Vorgeschichte
Wenn wir an Heilig Abend und Weihnachten in den Gottesdienst gehen, hören wir die vertraute Geburtsgeschichte Jesu aus dem Lukasevangelium. Und in unseren Krippenlandschaften stehen neben den Hirten die edlen Männer aus dem Orient, die dem Matthäusevangelium entnommen sind.
Beiden Weihnachtserzählungen aber sind Geschichten vorgelagert, und diese „Vorgeschichten“ haben einen guten Grund. So beginnt Matthäus sein Evangelium mit einem Stammbaum. Er fängt bei Abraham an und arbeitet sich dann durch die Generationen hindurch bis zu David und schließlich zu Joseph, der als letzter männlicher Name vor Jesus genannt wird. Erst dann erfahren wir davon, wie der Engel Gottes in das Leben dieser beiden Menschen tritt und wie der in Bethlehem geborene Jesus von den Weisen aus dem Morgenland gesucht und gefunden wird.
Matthäus
ist es offensichtlich wichtig, dass Jesus einen Platz in der Linie hat, die durch Josef hergestellt wird. Gerade weil das, was im Folgenden geschildert wird, unsere Erfahrung und Wirklichkeit durchbricht, ist dieser Anfang so gewichtig. Hier, in unserer Welt, beginnt etwas ganz neues. Gott macht den Anfang in einer Welt, die wir genauso kennen: in der sich Generationen ablösen und Stammbäume Verbundenheit ausdrücken . Dieses Bild wird an Weihnachten aufgebrochen und in einen neuen Horizont gestellt: Nicht durch Blutverwandtschaft, sondern in Jesu Namen werden Menschen in die große Familie der Christenheit aufgenommen. So schließt Matthäus sein Evangelium mit dem Taufbefehl – der Perspektive, die mit Weihnachten eröffnet wird.
Auch Lukas
eröffnet sein Evangelium nicht mit der Weihnachtsgeschichte, sondern mit einer ganzen Reihe von Vorgeschichten. Es lässt uns in das Leben der jungen Frau Maria schauen und lenkt unseren Blick auf eine andere Familie: auf Elisabeth, Zacharias und Johannes. Wir wissen, dass die Geschichte der beiden Kinder Jesus und Johannes, eng miteinander verbunden sein wird. Was Lukas mit seinen Vorgeschichten aber auch zum Ausdruck bringen möchte, das ist die Erfahrung mit den Menschen, für die er schreibt. Sie alle haben eine Vorgeschichte, mit der sie der Botschaft von der Menschwerdung Gottes begegnen. Das gilt auch für uns. Keiner schaut auf das Kind in der Krippe mit neutralen Augen. Vielmehr bringen wir mit, was uns bis dahin geprägt hat: unsere Hoffnung und unsere Enttäuschung, unsere Zweifel und unsere Sehnsucht. Unsere Bitten und unseren Dank. Die Frage ist: lassen wir eine Begegnung von Vorgeschichte und Gottes Ankunft zu?
In den Wochen des Advent und des Weihnachtsfestes wünsche ich Ihnen allen, dass Sie Zeit finden, auf das zu blicken, was Sie mitbringen. Und dass es zu einer Begegnung mit der Weihnachtsbotschaft kommt, die Sie einstimmen lässt in den Jubel, der die Vorgeschichte ablöst.
Pfarrerin Birgit Reichenbacher