Kolumne Januar 2020
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“
Diese Worte stammen aus dem berühmten Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse. Darin beschreibt, wie er das Leben sieht: immer in Bewegung. Nichts kann bleiben, wie auf der Treppe bewegt sich das Leben nach oben.
Als Menschen sind wir uns der Zeiten bewusst. Wir schauen zurück und planen gleichzeitig in die Zukunft. Manches lassen wir mit Erleichterung zurück, anderes mit Bedauern. Das gleiche gilt auch für Zukünftiges. Nicht genau zu wissen, was kommen wird, kann Unsicherheit und auch Ängste auslösen. Auf der anderen Seite liegt es in der menschlichen Natur, mit Neugierde und Spannung auf das Neue zu schauen. Zu hoffen und zu erwarten, dass die Zukunft Neues bringt, das uns gut tut. Uns belebt und inspiriert und wir all das, was uns belastet hat, zurücklassen können. Und so begrüßen wir das Neue Jahr mit Lichtern und lauten Grüßen, mit einem ganzen Feuerwerk.
Auch auf das neue Jahr 2020 haben wir sicherlich angestoßen und uns alles Gute gewünscht – wie immer dieses Gute konkret aussehen mag. Gesundheit, Freunde, Erfolg und Lebensfreude gehören sicher dazu. Und Kraft für das, was an Herausforderungen auf uns wartet.
Hermann Hesse hat sein Gedicht im Jahr 1941 geschrieben, inmitten des Krieges, der für so viele Menschen Zukunft fraglich gemacht hat. Persönlich hatte er gerade eine schwere Krankheit überstanden. Seine positive, nach vorne gerichtete Grundhaltung, die auf jeder Lebensstufe den besonderen Reiz, einen „Zauber“ sieht, hat er sich erhalten können. Worte wie diese können auch uns helfen, getrost und zuversichtlich nach vorne zu blicken und in das neue Jahr 2020 zu gehen.
Mir kommt in diesen Tagen öfter das Gedicht von Hermann Hesse in den Sinn. Nach 16 Jahren verlasse ich im ersten Monat des neuen Jahres die evangelische Kirchengemeinde in Starnberg. Im Münchener Osten erwartet mich eine neue Aufgabe in einer anderen Gemeinde. Manchmal spüre ich bei dem Gedanken an den bevorstehenden Wechsel den Zauber, von dem Hesse schreibt, sehr intensiv. Es gibt aber auch Momente, wo sich ein banges Gefühl einstellt. In diesen Momenten rufe ich mir dann ein anderes, ein biblisches Wort in Erinnerung. Es ist die Jahreslosung, die uns durch das Jahr 2020 begleiten möchte: "Ich glaube; hilf meinem Unglauben!" (Mk 9,24).
Dieser Ausruf hat viel Kraft und verweist letztlich auf eine Größe, die wir kennen und die sich uns zugesagt hat: Gott selbst, dessen Menschwerdung wir jetzt erst wieder gefeiert haben.
Ich wünsche Ihnen ein Jahr, in dem Sie sich guter Worte erinnern, die Sie begleiten und die Ihnen helfen, zuversichtlich und froh in diesen neue Jahr zu gehen,
Mit freundlichen Grüßen
Pfarrerin Birgit Reichenbacher