Kolumne April 2018
Hinaus!
Mit Ostern wird das Christentum mobil. Und so geht es in den Wochen des Monats April zum Glück auch sonst vielen Menschen. Es treibt uns hinaus aus den eigenen vier Wänden, in die Natur, die trotz gelegentlichem Aprilwetter mit Sonne, frischer Luft und jungen Grün aufwartet. Mein erster Osterspaziergang führte mich in diesem Jahr in den Bernrieder Park. Eine Bank dort lud mich zum sonnigen Verweilen und Ausruhen nach den Osternächten ein.
Den ersten frühlingshaften Spaziergang an Ostern hat Goethes Drama „Faust I“ in der Szene „Vor dem Tor“ unsterblich gemacht. Er beginnt mit der poetischen Beobachtung, die man freilich auch in diesem Jahr machen konnte: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / Durch des Frühlings holden, belebenden Blick, / Im Tale grünet Hoffnungsglück; / Der alte Winter, in seiner Schwäche, / Zog sich in rauhe Berge zurück.“ Vom Bernrieder Park und seinen Bänken sind die rauhen Berge ja besonders schön zu sehen.
„Osterspaziergang“ heißt auch ein amerikanisches Musical (‚Easter Parade‘, 1948). Das Drama entwickelt sich von Ostern 1912 bis Ostern 1913 in New York. Freilich wurde die etwas vorhersehbare Handlung erst durch die Filmmusik von Irving Berlin zum Erfolg und bescherte dem Komponisten 1949 einen Oscar: Als der berühmte Tänzer (im Film Fred Astaire) erfährt, dass seine Partnerin nun eine Solokarriere beginnt, sucht er Trost im Sarkasmus. Angetrunken behauptet er, er könne aus irgendjemandem eine bessere Tanzpartnerin für ihn formen. Die erstbeste Tänzerin der Truppe des Lokals, eigentlich Sängerin (im Film Judy Garland), genügt ihm zum Beweis. In den bald beginnenden Proben versucht er, das Original seiner früheren Partnerin durch die neue Elevin zu duplizieren. Solch ein Vorhaben kann nur scheitern, der Versuch misslingt gehörig, das neue Programm fällt beim Publikum durch, und unser Held verliebt sich auch noch in die neue Partnerin. Als die freilich ihre sängerischen und komödiantischen Stärken ausspielen darf, wendet sich beruf-lich das Blatt. Und das Tanzpaar findet auch im richtigen Leben zueinander. Am Abend der rauschenden Premiere trifft das junge Glück zufällig die frühere Tanzpartnerin. Eifersüchtig fordert die den alten Partner zum Tanz, woraufhin die Neue wütend-weinend den Saal verlässt. Erst der baldige Osterspazierganz mitten durch New York bringt sie wieder zueinander und tänzerisch gehörig in Schwung …
Das Johannesevangelium im Neuen Testament liefert eine weitere Motivation für den Weg ins Freie, nun endlich mit einer explizit christlichen Begründung. Was vorher nur verklausuliert als Auferstehungserfahrung durchscheinen sollte, wird jetzt vom österlichen Jesus zu seinen Jüngern wörtlich gesagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Johannes 20,21).
Der genuin christliche Osterspaziergang dient nicht nur dazu, die Jünger durch die frische Luft vom Hausstaub zu befreien. Sondern dieser Osterweg hat ein sehr konkretes Ziel. Jesus sendet damals seine Jünger und heute uns, um den Menschen die Botschaft der Auferstehung weiterzusagen. Das beginnt mit einem „frohe Ostern“ als munterem Gruß. Und mündet darin, Menschen für ihr weiteres Leben in Stand zu setzen, die Zukunft in freier Verantwortung aus Gottes Hand anzunehmen, sich von vergangenen Lasten befreien zu lassen und neue Bürden möglichst gar nicht erst zu schultern, wo die untragbar sind …
Schön, wenn unser explizit christlicher Weg seit Ostern wie im Musical auch etwas Tänzerisches, Singendes und womöglich verschmitzt Lächelndes hat. Gut, wo er wie bei Goethe dem Winter im Leben und in der Natur seine Grenzen aufzeigt. Wenn er nur das Ziel im Blick behält: wir sind unterwegs im Namen Jesu, um seine Botschaft weiterzutragen, dass Gott für alle Menschen den Tod besiegt hat …
Pfarrer Dr. Stefan Koch