Kolumne Februar 2019
Zum Valentinstag
Heute morgen kam eine junge Kollegin mit einem Strauß Blumen ins Lehrerzimmer. Richtig, dachte ich, heute ist ja Valentinstag. Überraschenderweise hat sie die Blumen aber von einigen Grundschüler bekommen – ein guter Anlass, gerade als Religionslehrer auf die Wurzeln des Brauchs zu schauen, der sich zunehmender Beliebtheit erfreut:
Valentin, so berichten mittelalterliche Erzählungen, soll zur Zeit des römischen Kaisers Claudius II., also im 3. Jhd. n.Chr. in Rom als armer Priester gewirkt haben. Der Kaiser hatte von Valentin gehört. Er war so beeindruckt vom Wesen und von der Klugheit des alten Priesters, dass er gerne in einen freundschaftlichen Kontakt zu ihm getreten wäre. Was aber zwischen den Männern stand, das war der christliche Glaube von Valentin. Der Kaiser durfte es nicht hinnehmen, dass Valentin ihm die göttliche Huldigung verweigerte, die er von allen anderen Untergeben einforderte. Als Valentin auf die Forderung des Kaisers mit dem christlichen Bekenntnis antwortete, forderten die Anwesenden den Tod des Priesters. Claudius stand unter Druck. Er suchte einen Ausweg und ließ ihn einem Richter zuführen. Dieser forderte von dem Priester, dass er die Macht des in Jesus in die Welt gekommenen Lichtes beweise, indem er die erblindete Tochter des Richters sehend mache. Valentin zog sich ins Gebet zurück und bat Gott um eben dieses Zeichen. Tatsächlich wurde die Tochter des Richters sehend, in die ganze Familie der Geheilten ließ sich von Valentin taufen. Die Bekehrung des Richters aber brachte das Volk noch mehr gegen Valentin auf und setzte den Kaiser weiter unter Druck. Um sich auf dem Thron zu halten, sah Claudius keine andere Möglichkeit, als den alten Priester enthaupten zu lassen.
Soweit die Legende, die noch nicht erklärt, warum Valentin mit Blumen in Verbindung gebracht wird und wie er zum Patron der Liebenden werden konnte.
Hier dient eine andere Legende als Erklärung: Der Kaiser hatte den Befehl erlassen, dass die Soldaten, die unter ihm dienten, unverheiratet bleiben sollten, um sich ganz ihrem Dienst widmen zu können. Es war der Priester Valentin, der sich mutig und entschlossen diesem Befehl zuwider handelte, indem er auch Soldaten nach christlichem Christus vermählte. Als Geschenk soll der arme Priester all den frisch Vermählten Blumen aus seinem Garten mitgebracht haben. Die Legende schließt auch hier mit dem Hinweis, dass der Kaiser Valentin zur Strafe für seinen Widerstand hinrichten ließ.
Ob dies tatsächlich am 14. Februar geschehen ist, bleibt eine offene Frage. Vermutlich ist der Tag zum Tag der Erinnerung an Valentin einfach deshalb gewählt worden, weil er bereits einen Platz im öffentlichen Leben hatte. In Rom wurde um den 14.Februar ein Fruchtbarkeitsfest gefeiert. Es war wohl eine Art Initiationsritus, de dazu diente, junge Mädchen in die nächste Stufe, in die Ehe zu begleiten. Dazu gehörte, dass sie an diesem Tag heftig- auch mit Blumen-umworben wurde. Das Fest hatte also auch einen Wettkampfcharakter für die jungen Männer. Und der christlichen Welt schien es stimmig, die Erinnerung an den Blumen schenkenden Priester auf eben dieses Datum des Werbens und der Reifung zu legen.
In vielen Kirchengemeinden wird dieser Gedenktag gefeiert – als Tag der Liebe. Dabei geht aber mehr als um eine Romantik, die von der Blumen- und Schokoindustrie vermarket wird. Es geht um die Erinnerung an eine Liebe mit ganz anderen Facetten. Um eine Liebe, die tiefer und weiter reicht als die, die uns in der Werbung zum Valentinstag vorgestellt wird, die ganz auf den Grund reicht und ganz an den Anfang unserer selbst. Für diese Liebe setzt sich Valentin ein, weil er Christ ist und weil er diesen Glauben zeigt. Für ihn, den Pfarrer, ist die Liebe, die er unter den Menschen findet, die ihn erfreut, die er als Priester fördern und schützen möchte, ein Abglanz der Liebe Gottes, die in unsere Welt hineinreicht und sie wie ein Licht erwärmt. Valentin setzt sich deshalb für die Liebe ein, nicht weil er ein Romantiker ist, nicht aus atmosphärischen Gründen, sondern weil er weiß, dass ohne die Liebe alles Schaffen und Können, alles Denken und alle Kunst ohne Seele, ohne Leben wäre.
„Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätten allen Glauben, dass ich Berge versetzen könnte und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Lieb verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.“
So schreibt Paulus im 1. Brief an die Korinther im 13. Kapitel. Dieser Text ist einer der bekanntesten und beliebtesten Texte unserer Bibel. Kaum ein Hochzeitspaar möchte ihn bei der eigenen Trauung missen. Denn die Liebe wird hier in den höchsten Ton gelobt und beschrieben:
„Die Liebe ist langmütig und freundlich. Die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen. Sie bläht sich nicht auf. Sie verhält sich nicht ungehörig. Sie sucht nicht das ihr. Sie lässt sich nicht erbittern. Sie rechnet das Böse nicht zu. Sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit. Sie erträgt alles, die glaubt alles, die duldet alles. Die Liebe hört niemals auf, so doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.“
Vielleicht hat Valentin diese Worte auch bei seinen Trauungen gelesen oder er hatte sie im Kopf, als er die Blumen überreicht hat.
Ganz sicher aber waren sie für ihn nicht nur auf die Stunde der Trauung reduziert und nicht nur für Paare reserviert. Denn wir wissen: die berühmten Worten aus dem 13. Kapitel, dem Hohenlied der Liebe, sind in Wirklichkeit gar kein Lied und erst nicht für Paare konzipiert, die sich das JA-Wort geben.
In diesem Briefabschnitt beschreibt der Apostel Paulus das Wesen Gottes. Es geht um die von Gott ausgehende und in Jesus Christus konkret gewordene Zuwendung Gottes zu jedem Einzelnen von uns. Um das, was unserem Leben die Grundlage, den Sinn und die Ausrichtung gibt. Um den Anfang, den Ursprung und um das Ziel eines gelingenden Lebens.
Um das JA Gottes, das alle romantischen Vorstellungen sprengt und gerade dort zu finden ist, wo unsere Vorstellungen von Liebe aufhören.
Darum geht es auch heute, wenn wir an Valentin und sein christliches Zeugnis erinnern: Nicht nur die Liebenden dürfen sich freuen, sondern wir alle dürfen uns als Geliebte erinnern und aus dieser Erinnerung neuen Mut und Hoffnung für unser Leben ziehen. Wir alle, die wir geliebt sind und dieses Gut besitzen – unabhängig davon, ob wir gerade eine Hoch-zeit menschlicher Begegnung erfahren oder das Gefühl haben, ein tiefes Tal durchschreiten zu müssen.
Denn auch diese Erfahrungen gehören zum Leben, das unter dem Vorzeichen der Liebeserklärung Gottes an uns steht: die Enttäuschung und die Unsicherheit, die Verletzbarkeit und die Trauer – über andere und über uns selbst.
Das sind die Erfahrungen, die in der Passionszeit Raum bekommen. Passion ist nicht die Kehrseite der Liebe. Ganz und gar nicht. Im Begriff der Passion steckt ja beides: Leiden und Leidenschaft. Es geht um den liebenden, um den leidenschaftlichen Einsatz Gottes für uns, für seine Geliebten.
Als Christen gehen wir in die Passionszeit mit dem Wissen darum, dass Jesus den Weg an Kreuz, in den Tod bewusst gegangen ist, um seine Botschaft der Liebe Gottes auch in die dunkelsten Stunden zu bringen. Um das JA Gottes mit dem NEIN der Welt zu konfrontieren. Auch das NEIN, das wir uns selbst oft zurufen. Um es zu überwinden und uns für das Leben neu zu öffnen und zu gewinnen. „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei: aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“
Diese Botschaft, mit der Paulus sein Kapitel schließt, ist, was wir uns alle heute in Erinnerung rufen dürfen, wenn wir selbst auf unser Leben blicken und auf die Liebeserfahrungen, die wir gemacht haben und die noch unerfüllt sind.
Und das ist es, wofür auch der heilige Valentin steht, der eben mehr ist als das, was die Konsumindustrie von ihm übriggelassen hat.
Pfarrerin Birgit Reichenbacher